| Kommentar |
Einem einflussreichen, wenn auch heute verblassten oder zumindest stark umstrittenen Narrativ zufolge sind sie die großen Antipoden der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts: Arnold Schönberg und Igor Strawinsky. So wollte es Theodor W. Adorno, der in seiner Philosophie der neuen Musik (1949) Schönberg dem „Fortschritt“, Strawinsky hingegen der „Reaktion“ (bzw. „Restauration“) zuschlug. Niemand wird gegenwärtig noch behaupten wollen, dass sich in dieser antithetischen, wenn auch dialektisch gebrochenen Konstellation die Vielfalt der musikalischen Erscheinungen nach 1900 auch nur einigermaßen zutreffend abbilde. Dasjenige, was Vladimír Karbusický 1995 den „nicht wahrgenommenen Nationalismus der Philosophie der Neuen Musik“ nannte (Wie deutsch ist das Abendland? Geschichtliches Sendungsbewußtsein im Spiegel der Musik, S. 42f.), nämlich den auch von Schönberg geteilten Glauben an die Überlegenheit der deutschen Tonkunst, ist nur eines der Ideologeme, deren Schatten auf Adornos Buch fällt. Eingedenk dieser – allerdings notwendigen – Relativierung lohnt es sich, die Schriften Schönbergs und Strawinskys sine ira et studio als historische Dokumente (erneut) zu lesen, sie, soweit möglich, miteinander zu vergleichen und ihre zentralen Denkfiguren an ausgewählten Kompositionen der beiden „Widersacher“ festzumachen.
Das Korpus der Texte, die in dem Seminar gemeinsam diskutiert werden sollen, wird zu Beginn des Semesters vorgestellt. Grundlage bilden die in der Literaturliste genannten Publikationen und Ausgaben. |
| Literatur |
Arnold Schoenberg, Style and Idea, New York 1950
Arnold Schönberg, Stil und Gedanke. Aufsätze zur Musik, hrsg. von Ivan Vojtěch, Frankfurt am Main 1976 (Gesammelte Schriften 1)
Arnold Schönberg, Harmonielehre [1911], Wien 71966. Reprint Wien 2001 (Jubiläumsausgabe)
Arnold Schönberg, „Stile herrschen, Gedanken siegen“. Ausgewählte Schriften, hrsg. von Anna Maria Morazzoni, Mainz u. a. 2007
Igor Strawinsky, Poetics of Music in the Form of Six Lessons, translated by Arthur Knodel and Ingolf Dahl, Cambridge, MA 1947
Robert Craft, Conversations with Igor Stravinsky, London 1959
Igor Strawinsky und Robert Craft, Memories and Commentaries, London 1960
Igor Strawinsky, Gespräche mit Robert Craft, Zürich 1961
Igor Strawinsky und Robert Craft, Expositions and Developments, Garden City, NY 1962; London 1981
Igor Strawinsky und Robert Craft, Dialogues and a Diary, Garden City, NY 1963; London 1968
Igor Strawinsky und Robert Craft, Themes and Episodes, New York 1966
Igor Strawinsky und Robert Craft, Retrospectives and Conclusions, London 1969; deutsch: Erinnerungen und Gespräche, Frankfurt am Main 1972
Igor Strawinsky, Themes and Conclusions, London 1972
Igor Strawinsky, Schriften und Gespräche, Bd. 1: Erinnerungen, aus dem Französischen übertr. von Richard Tüngel; Musikalische Poetik, aus dem Französischen übertr. von Heinrich Strobel, mit einer Einleitung von Wolfgang Burde, Mainz 1983
Igor Strawinsky, Poétique musicale sous forme de six leçons, hrsg. von Myriam Soumagnac, Paris 2000 |