In der Frühen Neuzeit überlagern sich vormodernes Zeitwissen und ein in die Moderne weisender Umgang mit Zeit und Zeitlichkeit. Besonders deutlich zeigt sich dies im Blick auf die Zukunft. Tradierte Denkmuster, etwa die Erwartung einer apokalyptischen Endzeit, werden ergänzt durch wissenschaftliche Innovation oder die Hoffnung auf gesellschaftliche Veränderung. Wie ‚neu‘ ist also die ‚Neuzeit‘? Und in welcher Weise können Temporalität und Zukünftigkeit als Kriterien für die Epochenbestimmung ‚Frühe Neuzeit‘ verwendet werden? Im SE wollen wir diese Fragen konkret an frühneuzeitlichen Erzähltexten erkunden. Der Schwerpunkt liegt dem utopischen Erzählen. Wir werden untersuchen, inwiefern bereits die einschlägig utopischen Inseln bei Thomas Morus („Utopia“, 1517) und Francis Bacon („Nova Atlantis“, 1627) als Zeit-Orte entworfen werden. Den Kontrast zwischen Endzeiterwartung und utopischen Gegenentwürfen werden wir an Grimmelshausens „Simplicissimus Teutsch“ (1669) beobachten. Ausführlich besprechen werden wir Johann Gottfried Schnabels mehrbändigen Roman „Wunderliche Fata einiger See-Fahrer“ (ab 1731, bekannt unter dem Titel „Insel Felsenburg“), in dem das utopische Modell mit dem der Robinsonade enggeführt wird.Teilnahmevoraussetzung: Bereitschaft zur intensiven Textlektüre und zur aktiven Mitarbeit im Seminar.Vorgesehene Arbeitsleistung: vertiefte Vorbereitung einer Sitzung mit Thesenpapier und kurzem Impulsreferat (verpflichtend für Studierende im Master Deutsche Literatur und Europäische Literaturen; dringend empfohlen für Studierende im Master of Education).
Zur Anschaffung und vorbereitenden Lektüre:
Zur weiteren Orientierung: Wilhelm Voßkamp: Emblematik der Zukunft. Poetik und Geschichte literarischer Utopien von Thomas Morus bis Robert Musil, Berlin 2016; Julia Meier: Inselromane. Adam Oehlenschlägers Roman „Die Inseln im Südmeere“ im Dialog mit J. G. Schnabels „Insel Felsenburg“, Tübingen 2022.
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