Spätestens seit Henry David Thoreaus Walden (1854), einem Erfahrungsbericht über sein Leben als Aussteiger in den Wäldern von Massachusetts, hat das Genre des Nature Writing – als eine intensive Form der literarischen Naturbegegnung – einen festen Platz in der angelsächsischen Literatur. Gegenwärtig ist zu beobachten, wie sich im deutschen Sprachraum eine ähnliche und doch ganz eigene Praxis und Poetik des ‚Naturschreibens‘ etabliert, die sich in der Ausrichtung spezifischer Verlagsreihen, Festivals und Literaturpreise widerspiegeln. Autor:innen wie Marion Poschmann, Esther Kinsky und Judith Schalansky erzählen von Landschaften und deren menschlichen und mehr-als-menschlichen Bewohner:innen, verzeichnen Spuren des Zusammenlebens und konservieren eindrucksvoll die schwindende Vielgestaltigkeit der Natur. Im Seminar werden wir den Traditionen und Ansätzen sowie den Fragen und Perspektiven des Nature Writing nachgehen. Welche Schreibweisen und Erzählverfahren kennzeichnen das Genre? Auf welchen historischen Vorläufern und Traditionsbrüchen beruht es – auch mit Blick auf die deutsche Literaturgeschichte – und was macht seinen aktuellen Reiz aus? Wie lassen sich Ansätze des Ecocriticism, aber auch der Memory, Postcolonial und der Gender Studies für einen Zugang zum Nature Writing produktiv machen? An welche gegenwärtig drängenden Fragen, Forschungen und Debatten zur Zukunft der Natur schließen Texte dieses Genres an und was können sie hierzu beitragen? Diese und weitere Fragen werden wir an Texte von Alexander von Humboldt, Henry David Thoreau, Adalbert Stifter, Rachel Carson, Marion Poschmann, Jan Wagner, Judith Schalansky u. a. herantragen. Darüber hinaus werden wir eigene schreibpraktische Exkursionen in die Berliner Stadtnatur unternehmen. Zudem wird sich die Gelegenheit bieten, mit versierten Akteur:innen des Literaturbetriebs ins Gespräch zu kommen. Als Arbeitsleistung kann die Mitarbeit in einer Expert:innen-Gruppe (gemeinsamer Impulsbeitrag und Thesenpapier zu einer Sitzung) sowie eine schreibpraktische Übung erbracht werden.
Primär- und Sekundärliteratur werden zu Beginn der Lehrveranstaltung auf moodle bereitgestellt. Zur Vorbereitung empfohlen wird die Lektüre von u. a. Gabriele Dürbeck / Christine Kanz (Hrsg.): Deutschsprachiges Nature Writing von Goethe bis zur Gegenwart. Kontroversen, Positionen, Perspektiven. Stuttgart: Metzler 2020.
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