Gerüchte leben von der Verbreitung, der Geschwindigkeit und der vorgehaltenen Hand, hinter der sie als Neuigkeiten zirkulieren, auch wenn nicht klar ist, wie sehr auf sie Verlass ist. Deshalb sind Boten für ihr Entstehen und Gedeihen wichtiger als ihre Urheber, die oft im Dunkeln bleiben. Als Allegorie der öffentlichen Meinung stieg die Fama, die weitergibt, was andere ihr zutragen, im 17. Jahrhundert zur Gallionsfigur gedruckter Nachrichtenblätter auf und schmückte frühe Zeitungen. Dargestellt als Frau mit Engelsflügeln und zwei Fanfaren – die eine für den guten Ruf, die andere für die üble Nachrede –, verkörpert die Fama zugleich ein luftiges und großgewachsenes Wesen von enormer Beweglichkeit. Von der sozialen Macht, die sich in Gerüchten verdichtet, und von den Effekten solcher Indiskretionen handeln seit der Antike Epen, Tragödien und Geschichtsdramen und vom 19. Jahrhundert an vermehrt auch Novellen und Romane. Im SE werden wir Funktions- und Wirkungsweisen des Rumors studieren und Gerüchte zu verwandten Phänomenen wie Klatsch und Fake News in Beziehung setzen. An einschlägigen Fallbeispielen aus der Dramen- und Erzählliteratur vor allem seit der Frühen Neuzeit untersuchen wir, wie Gerüchte dort sozial und medial bewirtschaftet werden, wem sie schaden und wer von ihrer Streuung zu profitieren sucht. Zur Analyse wird es nötig sein, auf Theorieansätze aus der Soziologie sowie der Geschichts-, Kommunikations- und Medienwissenschaft zurückzugreifen. Semesterbegleitende Seminarleistungen: regelmäßige und aktive Teilnahme (maximal zwei Fehltermine); Übernahme einer Textpatenschaft zur Sitzungsvorbereitung.
Im Zentrum stehen Texte von Plutarch, Vergil, Ovid, Andreas Gryphius, Heinrich von Kleist, Wilhelm Raabe, Theodor Fontane, Theodor Storm, Heinrich Böll und Thomas Bernhard.
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