Kommentar |
Warum durfte in Teilen des frühneuzeitlichen Europas der Scharfrichter nicht berührt, die Tochter des Abdeckers nicht geheiratet und der Messwein vom Priester nicht verschüttet werden? Die Übung bietet einen ersten Einblick in die vielschichtige Welt vormoderner Reinheits- und Unreinheitsvorstellungen, indem sie vor allem Berufsgruppen wie Priester, Rabbiner, Scharfrichter, Abdecker, Sexarbeiter:innen, aber auch körperliche Substanzen wie Blut, Exkremente und Leichenteile, Räume wie Kirche, Friedhof, Rabenstein, Ehe- und Wochenbett, Übergangszeiten wie Geburt, Krankheit und Sterben auf entsprechende Reinheitskonzepte hin untersucht. Insbesondere soll vermittelt werden, wie stark (christliche) Religion und Ritualität aber auch Geschlechter- und Alteritätskonzepte von Reinheitsvorstellungen abhingen. Dabei wird natürlich auch der geschichtliche Wandel entsprechender Konzepte sowie ihr Interagieren/Konkurrieren mit anderen Ordnungskonzepten in den Blick genommen. So soll bspw. gefragt werden, in welchem Verhältnis Ehre, Unehrlichkeit und Reinheit standen.
Ferner sollen methodisch-theoretisch verschiedene Konzepte der Historischen und Kulturanthropologie sowie Religionswissenschaft diskutiert und Reinheit zu Gefühlswelten des Ekels, Abscheus und Horrors in Beziehung gesetzt werden. In diesem Zusammenhang ist auch von Interesse, inwiefern Reinheit mit Mary Douglas als handlungsleitendes Konzept verstanden werden kann, das sozio-symbolische Ordnungen strukturierte und hierarchisierte, ferner Identität und Handlungsorientierung zu stiften suchte und so Gesellschaften harmonisierte und teils auch homogenisierte. |
Literatur |
Stuart, Kathy: Defiled Trades and Social Outcasts. Honor and Ritual Pollution in Early Modern Germany, Cambridge 1999.
Burschel, Peter und Christoph Marx (Hrsg.): Reinheit (Veröffentlichungen des Instituts für Historische Anthropologie e.V., Bd. 12), Köln 2011, S. 7-14. |