Autobiographisches Schreiben von Frauen ist en vogue – das zeigt nicht nur die Verleihung des Nobelpreises an Annie Ernaux 2022, sondern auch eine literarische Wiederentdeckung wie Tove Ditlevsens Kopenhagen-Trilogie.
In dem Vertiefungskurs werden wir uns dezidiert mit autobiografischen Texten von Frauen* und Autor*innenbiografien auseinandersetzen. Dabei spielen Aspekte der Selbst- und der Fremdinszenierung eine Rolle ebenso wie das Spannungsverhältnis zwischen Fakten und Fiktion. Ein Schwerpunkt wird auf die Gattung gelegt und das Zusammenspiel mit dem Literaturbetrieb – wer wird wann wie gehypt und gelesen?
Zwei Hauptziele stehen im Mittelpunkt des Seminars: Erstens soll es eine Verschiebung in der Betrachtung von Autobiografien vollzogen werden – weg vom narzisstischen Selbstporträt hin zu einer Anerkennung als literarische Texte mit ästhetischem Wert. Obwohl gerade Frauen häufig nur faktuales Schreiben über das eigene Leben zugestanden wurde, wurde gerade diese Form der Literatur lange von der Literaturkritik als wenig kunstvoll abgewertet. Zweitens zielt es darauf ab, Autobiografien als dynamischen Erinnerungsprozess zu verstehen, der durch verschiedene Interpretationen fortgeschrieben wird. Daher werden wir, beispielsweise auf einer Exkursion nach Dänemark und Schweden, folgenden Fragen nachgehen: Wie werden welche Autobiografien rezipiert? Inwiefern ändert sich ihre Rezeption im Laufe der Zeit und welche Auswirkungen haben solche Veränderungen auf die Darstellung des Lebens der Autorinnen?
Der Kurs wird sich vor allem mit drei kanonischen Schriftstellerinnen und ihren erfolgreichen Autobiografien beschäftigen: erstens Selma Lagerlöf, die, obwohl sie als erste Frau den Literaturnobelpreis erhielt, lange Zeit als ‚Märchentante‘ abgetan wurde, heute jedoch als queere Ikone eine andere Rezeption erfährt; zweitens Karen Blixen, zunächst bekannt als exzentrische Baronesse und durch ihr Spiel mit Identitäten und Selbstinszenierungen, später vor allem als Geliebte und Verlassene im Film Out of Africa; und drittens Tove Ditlevsen, die als Arbeiterschriftstellerin beinahe in Vergessenheit geraten war, bis vor einiger Zeit durch Social Media ein regelrechter Hype um ihre autobiografischen Texte entstanden ist. Durch die Erkundung ihrer Werke soll das komplexe Zusammenspiel zwischen weiblicher Identität, literarischer Ästhetik und gesellschaftlichen Vorstellungen von "Weiblichkeit" untersucht werden.
Die Veranstaltung wurde 3 mal im Vorlesungsverzeichnis SoSe 2025 gefunden: