Kommentar |
Zielsetzung
Diese Lehrveranstaltung widmet sich der Untersuchung transkultureller musikalischer Prozesse in der Ägäis, insbesondere auf den Inseln zwischen dem heutigen Griechenland und der Türkei. Als geographische „Transitzonen“ sind diese Regionen seit Jahrhunderten Schauplatz von Begegnungen, Hybridisierungen und Transformationen, die in musikalischen Formen, Instrumenten und Spieltechniken sichtbar und hörbar werden. Ziel ist es, ein fundiertes Verständnis der Wechselwirkungen zwischen politischen, kulturellen und ökonomischen Bedingungen und deren Einfluss auf die Musikkulturen zu vermitteln. Dabei werden historische und aktuelle Entwicklungen gleichermaßen betrachtet und in einen theoretischen Rahmen eingebettet.
Zusätzlich bietet die Veranstaltung während der Exkursion Einblicke in die aktuelle Ozeanographie und den Meeres- und Artenschutz, wobei akustische Verfahren (Hydrophonie) eine besondere Rolle spielen.
Inhalt
Die Lehrveranstaltung setzt an den transkulturellen Überschneidungen zwischen griechischen und türkischen Musikkulturen an. Diese manifestieren sich in modalen Tonsystemen, rhythmischen Strukturen sowie der Nutzung und Anpassung von Musikinstrumenten. Solche musikalischen Elemente spiegeln Prozesse von Austausch, Abgrenzung und Koexistenz wider und verweisen auf eine Region, in der Mobilität und maritime Kulturen zentrale Rollen spielen.
Besonderer Fokus liegt auf den politischen Grenzverschiebungen in der Ägäis, die nicht nur kulturelle Identitäten geprägt, sondern auch musikalische Praktiken beeinflusst haben. Hierbei wird die Ägäis als Raum verstanden, in dem Migration, Handel und Seefahrt zur Verbreitung und Transformation musikalischer Ausdrucksformen beitrugen. Gleichzeitig wird die Rolle materieller Ressourcen untersucht, die den Instrumentenbau und die alltägliche musikalische Praxis in der Region bestimmten.
Im Sommersemester wird ein vorbereitendes Blockseminar (ca. 10 Stunden) stattfinden, das die Studierenden auf die Exkursion nach Samos im September 2025 vorbereitet. Vor Ort bietet sich die Gelegenheit, einerseits theoretische Konzepte zur Transkulturalität, Mobilität und materiellen Kultur durch lokale Beispiele zu reflektieren und andererseits bioakustische Forschungsmethoden kennenzulernen.
Theoretischer Rahmen
Der theoretische Rahmen der Lehrveranstaltung beruht auf transdisziplinären Ansätzen, die musikwissenschaftliche Methoden mit kultureller und historischer Anthropologie, Soziologie sowie politischen Studien verknüpfen. Das Konzept der Transkulturalität bildet eine zentrale Perspektive zur Untersuchung hybrider musikalischer Formen und kultureller Austauschprozesse in der Ägäis. Ergänzt wird dies durch die Theorie des kulturellen Transfers, die die Übertragung und Anpassung von musikalischen Praktiken zwischen verschiedenen Kontexten untersucht. Die Mobilitätsforschung liefert zudem ein Verständnis für die Bedeutung von Bewegung, Migration und Seefahrt als treibende Kräfte kultureller Dynamik.
Schließlich wird die Materialität der Musik betrachtet, um die Rolle materieller Ressourcen und technischer Bedingungen im Instrumentenbau und in der musikalischen Praxis zu analysieren. Diese Ansätze erlauben eine vielschichtige Reflexion über die Wechselwirkungen von Musik, politischen Grenzen und materieller Kultur, die die Musikkulturen in der Ägäis geprägt haben.
Die bioakustischen Forschungen lassen sich in die Biomusikologie und evolutionäre Musikforschung sowie die entstehende aquatische Musikologie einordnen.
Lehrmethodik
Die Veranstaltung besteht aus einer Kombination aus einem einführenden Seminar in transkulturelle Prozesse mit dem Schwerpunkt auf der Musik der Ägäis, der Analyse von Klangbeispielen und Quellenmaterial und musikethnologischen Beobachtungen vor Ort während der Exkursion auf Samos.
Ein weiterer Schwerpunkt beinhaltet eine Einführung in die Bioakustik, wozu auf Samos maritime und terrestrische Feldforschungen (Beobachtungen von Meeres- und Landsäugetieren, Hydrophonie, Datenauswertung) unter der Leitung des Archipelagos Institute unternommen werden.
Lernziele
- Erkennen und Analysieren transkultureller Prozesse in der Musikgeschichte der Ägäis.
- Kritische Reflexion über die Wechselwirkung von Musik, politischen Grenzen und materieller Kultur.
- Anwendung theoretischer Konzepte auf konkrete historische und kulturelle Kontexte.
- Einführende Orientierung über die Rolle und Methoden bioakustischer Forschung in der Ozeanographie und dem Umweltschutz
Gastgebende Institution für die bioakustischen Forschungen vor Ort in Agios Konstantinos/Samos ist das Archipelagos Institute of Marine Conservation, siehe
https://archipelago.gr |
Literatur |
Komplex Transkulturelle Musikforschung
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Komplex Meeresforschung und Biomusikologie
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