In historischer Perspektive ist die Veränderbarkeit literarischer Kanones nicht nur an Kanonisierungs-, sondern insbesondere auch an Dekanonisierungsprozessen abzulesen. Ein solcher Ausschluss aus dem Kanon kann Autor:innen, Werke, Gattungen und Schreibweisen betreffen und deutet, zumal wenn er rasch verläuft, vielfach auf ein „Mischungsverhältnis textueller und sozialer Faktoren“ (Beilein, Stockinger, Winko, 2012, 5) im Rahmen solcher Prozesse hin. Prägnante Beispiele dafür finden sich in der Geschichte der deutschen Kunstballade, die einerseits eine massenhaft produzierte Gattung war und als populär und volkstümlich galt, und die andererseits mit Autor:innen assoziiert wurde, die im 19. Jahrhundert Klassikerstatus hatten, darunter Friedrich Schiller oder Ludwig Uhland.Im SE werden vor dem Hintergrund verschiedener Kanon- und Wertungstheorien Beispiele aus der Gattungsgeschichte der Ballade diskutiert. Funktionale wie qualitative Zuschreibungen werden mit Blick auf die Instanzen, Medien sowie Praktiken der Literaturkritik und Literaturgeschichtsschreibung herausgearbeitet. Im Zuge dessen wird auch die Wechselbeziehung zwischen der (De-)Kanonisierung der Gattung und der (De-)Kanonisierung einzelner Autor:innen behandelt.Die Prüfungsleistung (MAP) wird in Form eines THE erbracht, es empfiehlt sich der erste Prüfungszeitraum, für den zweiten müßte ein(e) Ersatzprüfer(in) bestimmt werden.
Matthias Beilein, Claudia Stockinger, Simone Winko: Einleitung. Kanonbildung und Literaturvermittlung in der Wissensgesellschaft, in: Dies. (Hg.): Kanon, Wertung und Vermittlung. Literatur in der Wissensgesellschaft, Berlin u.a. 2012, S. 1-15; Adrian Daub: What the Ballad knows, The Ballad Genre, Memory Culture, and German Nationalism, Oxford 2022; Renate von Heydebrand/Simone Winko: Einführung in die Wertung von Literatur. Systematik, Geschichte, Legitimation, München u.a. 1996; Hermann Korte: K wie Kanon und Kultur. Ein kleines Kanonglossar in 25 Stichwörtern. In: Arnold, Heinz Ludwig/Ders. (Hg.): Literarische Kanonbildung (= TEXT+KRITIK. Zeitschrift für Literatur. Sonderband). München 2002, S. 25-38; Niels Penke/ Matthias Schaffrick: Populäre Kulturen. Zur Einführung, Hamburg 2018; Gabriele Rippl/ Simone Winko (Hg.): Handbuch Kanon und Wertung: Theorien, Instanzen, Geschichte, Stuttgart u.a. 2013.
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