Kommentar |
Solovki, ein auf einer Insel im Weißen Meer Anfang des 15. Jh.s von Einsiedlermönchen gegründetes Kloster – der Ort, an dem das Sowjetregime den Modellversuch des Arbeitslagers startete: ein Ort, dessen Schicksal wie in einem Brennglas die Peripetien der russischen Kulturgeschichte seit dem Mittelalter und die fortgesetzte Konkurrenz und/enge Verbindung von Kirche und Staat widerspiegelt: von den Klostergründungen als alternative Formen der russischen Expansion, über Kirchenspaltung, geostrategische Positionierung, politische Verbannung und den stalinistischen GULAG, als dessen „Muttergeschwulst“ Solženicyn Solovki bezeichnete, bis zum sowjetischen Untergrund und schließlich zum Wiedererstarken der Kirche als Stütze der Staatsmacht am Beginn des neuen Jahrtausends und zum UNESCO Weltkulturerbe. Was im und um das Kloster geschah, war immer direkter Ausdruck oder direkte Folge der aktuellen Politik im Zentrum der Macht, mit dem Solovki stets in der ein oder anderen Weise engstens verbunden war.
Die Vorlesung verfolgt Etappe für Etappe die Geschichte dieses Ortes und versucht in Auseinandersetzung mit den in aktuellen Studien entwickelten Perspektiven seine kultursemiotische Spezifik herauszuarbeiten.
Evtl. werden die Teilnehmer*innen nach Semesterende die Möglichkeit haben, an einer Internationalen Sommerschule auf den Solovki teilzunehmen.
Zur Einführung empfohlen: Roy Robson: Solovki. The story of Russia told through its most remarkable islands, 2004. Marius Wilk: Schwarzes Eis, 2003. Olivier Rolin: Der Meteorologe, 2015, Jurij Brodskij: Dvadcat’ let osobogo naznačenija, 2002. |