Kommentar |
Die spätmittelalterliche Handels- und Bankmetropole Florenz gilt gemeinhin als „Wiege des Kapitalismus“, als Tummelplatz zahlreicher merchant-bankers mit europaweiten Verbindungen, die sich noch dazu als Autoren von sog. ricordanze, Kaufmannsmemoiren, hervortaten. In einer Art Lebensbuchführung wurden darin nicht nicht nur finanzielle Transaktionen aufgezeichnet, sondern eine jeweils autorenspezifische Mischung aus Selbstzeugnis, Familiengeschichte und Stadtchronik. Nach einer Einführung in die Stadt- und Wirtschaftsgeschichte von Florenz und die Quellengattung der Kaufmannsmemoiren wird deren kulturgeschichtlicher Ertrag im Verlauf des Kurses systematisch ausgeleuchtet, um ein möglichst umfassendes Bild merkantiler Lebenswelten im spätmittelalterlichen Florenz herauszuarbeiten: soziale Herkunft, kaufmännische Ausbildung, religiöse Einstellungen, horizontale und vertikale Mobilität, ökonomische Praktiken, politische Partizipation und Beziehungsnetze, Geschlechterrollen und Kinder, Handlungsspielräume von Kaufmannsfrauen und -witwen, Informations- und Nachrichtenverkehr, Strategien der Selbstdarstellung und Statusrepräsentation. Begleitend zum Seminar werden dabei – entlang des gängigen Arbeitsprozesses von der Anfangrecherche bis zur fertigen Hausarbeit – Basiskompetenzen wie wissenschaftliches Lesen, Exzerpieren, Diskutieren und Schreiben eingeübt und im Rahmen einer Schreibwerkstatt am Semesterende erprobt. Da die meisten Kaufmannsmemoiren in englischer Übersetzung vorliegend, ist die Lektürefähigkeit englischsprachiger Texte Voraussetzung für eine erfolgreiche Seminarteilnahme. |
Literatur |
Vittore Branca, Merchant Writers. Florentine Memoirs from the Middle Ages and the Renaissance, übers. v. Murtha Baca, Toronto, Buffalo, London 2015; Richard A. Goldthwaite, The Economy of Renaissance Florence, Baltimore 2009; Hans-Werner Goetz, Proseminar Geschichte: Mittelalter, 4. Aufl. Stuttgart 2014. |