Seminar 1:
Der Schulalltag verdeutlicht, dass der Sprachgebrauch des Deutschen in verschiedenen Situationen variiert: Kinder lernen die Varietät „Standarddeutsch“, welche sich von der gesprochenen Alltagssprache mit der Familie und mit Freunden und in der Kommunikation in den neuen Medien unterscheidet. In multilingualen Kontexten können neue Varietäten, z. B. Kiezdeutsch, entstehen. In der Öffentlichkeit wurde der Status von Kiezdeutsch diskutiert, vor allem die Frage, ob Kiezdeutsch „falsches Deutsch“ oder ein „neuer Dialekt“ ist. Dieser Frage wollen wir im Seminar nachgehen. Im ersten Teil wollen wir klären, welche Faktoren die Sprachvariation und den Sprachwandel beeinflussen und welche Eigenschaften unterschiedliche Varietäten und Register haben. Im zweiten Teil betrachten wir mögliche Transfereffekte der Erstsprache auf den Erwerb des Deutschen und vergleichen diese Befunde mit den Charakteristika von Kiezdeutsch.
Seminar 2:
„Die Sprache wird heute so schnell umgebildet, daß sie [...] verkommen und verlottert ist.“ schreibt Gustav Wustmann und benennt auch die Schuldigen: „Wo stammen sie denn her, die Deutschverderber der letzten vierzig Jahre, wenn nicht aus der deutschen Schule?“ Das war 1891. Im Jahr 2006 titelt Der Spiegel „Rettet dem Deutsch“ und Bastian Sick füllt Säle mit dem ‚Dativ, der dem Genitiv sein Tod ist’...
In dem Seminar werden wir uns eingehend mit Sprachwandel und Variation beschäftigen: Warum gebrauchen wir neben „gewinkt“ auch „gewunken“? Wie können die Formen linguistisch erklärt werden? Wie sollte mit Varianten umgegangen werden? Was ist eigentlich ein Fehler? Wie hat es auf sich mit ‚ganzen Sätzen’, die in der Schule gefordert werden?
Vor diesem Hintergrund werden wir uns kritisch mit der Idee des Sprachverfalls beschäftigen und Zweifelsfälle, Variation und Wandel linguistisch untersuchen.
Seminar 3 & 4:
Sprachwandel und -variation sind sowohl durch inner- als auch außersprachliche Einflüsse bedingt, wobei in diesem Seminar insbesondere letztere im Vordergrund stehen werden: Zum einen ist Sprache ein zutiefst soziales Phänomen und den Menschen und der durch sie geformten Gesellschaft inhärent. Zum anderen ist Sprache ein historisches Phänomen, das sich in der zeitlichen Dimension stetig verändert. Soziolinguistische und historische Einflüsse haben somit über einen langen Zeitraum hinweg für die Ausprägung der heutigen deutschen Gegenwartssprache mit all ihren vielfältigen Ausformungen gesorgt.
Das Seminar gliedert sich in zwei Teile: Im ersten werden Grundlagen vermittelt und ein Überblick über die deutsche Sprachgeschichte gegeben. Außerdem werden hier Methoden und Korpora zur Analyse von Variation und Wandel eingeführt. Zudem werden Variation und Wandel im Sprachsystem auf verschiedenen Ebenen betrachtet (u.a. Phonologie, Morphologie, Syntax, etc.).
Nach der Vermittlung/Wiederholung dieser Grundlagen werden wir im zweiten Teil soziolinguistische Faktoren von Variation und Wandel in den Blick nehmen, und zwar immer auch vor dem Hintergrund der sprachgeschichtlichen Entwicklungen. Hier sollen zudem konkrete Varietäten und Stile des Deutschen vorgestellt werden.
Das Lernziel des Seminars besteht im Wesentlichen darin, sprachliche Variation soziolinguistisch einordnen zu können und die Gegenwartsprache als etwas „Gewordenes“ und als Konglomerat vielfältiger Varietäten/Stile zu begreifen.
Das Seminar wird rein digital (per zoom) und größtenteils synchron stattfinden.
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