Kommentar |
Als Akteur im Netzwerk der musikalischen Moderne zu Beginn des 20. Jahrhunderts kommt dem italienischen Komponisten und Wahl-Berliner Ferruccio Busoni eine herausragende Stellung zu. Ein wacher und universell interessierter Beobachter der rapide fluktuierenden Strömungen seiner Zeit, stand Busoni mit zahlreichen Protagonisten seiner künstlerischen Gegenwart in regem Austausch, wie sich an den Tausenden von Briefen aus seinem Nachlass (Berlin, Staatsbibliothek) ablesen lässt.
Das Seminar nimmt drei Themenkreise näher ins Visier:
- das Zusammentreffen von Busoni und Arnold Schönberg an der Schwelle zur Atonalität, wie es im Disput über Schönbergs Klavierstück op. 11 Nr. 2 und dessen „konzertmäßige Interpretation“ durch Busoni eindrucksvoll dokumentiert ist;
- die Positionierung des Komponisten und Busoni-Schülers Philipp Jarnach im Umfeld der Neuen Musik der frühen 1920er Jahre und vor dem Hintergrund von Busonis „Junger Klassizität“;
- das Lehrer-Schüler-Verhältnis Busonis mit Kurt Weill, dessen Musiktheater an der Seite von Bertolt Brecht Verbindungen zur Bühnenästhetik Busonis bereits der 1910er Jahre nahelegt (ohne dass bisher ein direkter Zusammenhang greifbar geworden wäre).
Während Schönbergs Korrespondenz mit Busoni bereits in digitaler Edition vorliegt (siehe Ferruccio Busoni – Briefe und Schriften), soll für Jarnach und Weill die Erschließung der jeweiligen Briefwechsel Ausgangspunkt und zentraler Teil der jeweiligen Einheiten sein. Insofern versteht sich das Seminar zugleich als eine Einführung in die digitale Textedition mit der XML-Sprache TEI.
Die unterschiedlich komplexen Themenfelder und entsprechend diverse Anforderungsprofile bieten sowohl für fortgeschrittene BA-Studierende als auch für Kandidat*innen im Master Anschlussmöglichkeiten, weshalb das Seminar ausnahmsweise studiengangübergreifend angeboten werden soll. |
Literatur |
- Erinn E. Knyt, Ferruccio Busoni and His Legacy, Bloomington (IN) 2017.
- Della Couling, Ferruccio Busoni. „A Musical Ishmael“, Lanham/Toronto/Oxford 2005.
- Albrecht Riethmüller (Hrsg.), Busoni in Berlin. Facetten eines kosmopolitischen Komponisten, Wiesbaden 2004.
- Hyesu Shin, Kurt Weill, Berlin und die zwanziger Jahre. Sinnlichkeit und Vergnügen in der Musik, Sinzig 2002.
- Susanne Fontaine, Busonis „Doktor Faust“ und die Ästhetik des Wunderbaren, Kassel u. a 1998.
- Kurt Weill-Studien, hrsg. von Nils Grosch u. a., Stuttgart 1996 (= Veröffentlichungen der Kurt-Weill-Gesellschaft Dessau 1).
- Stefan Weiss, Die Musik Philipp Jarnachs, Köln-Rheinkassel 1996.
- Reinhard Ermen, Ferruccio Busoni, Reinbek bei Hamburg 1996.
- Sebastian Kämmerer, Illusionismus und Anti-Illusionismus im Musiktheater. Eine Untersuchung zur szenisch-musikalischen Dramaturgie in Bühnenkompositionen von Richard Wagner, Arnold Schönberg, Ferruccio Busoni, Igor Strawinsky, Paul Hindemith und Kurt Weill, Anif/Salzburg 1990.
- Ferruccio Busoni. Selected Letters, hrsg. von Antony Beaumont, London u. a. 1987.
- Jürgen Kindermann, Thematisch-chronologisches Verzeichnis der musikalischen Werke von Ferruccio B. Busoni (= Studien zur Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts 19), Regensburg 1980.
- Hans Heinz Stuckenschmidt, Schönberg. Leben, Umwelt, Werk, Zürich u. a. 1974.
- Hans Heinz Stuckenschmidt, Ferruccio Busoni. Zeittafel eines Europäers, Zürich u. Freiburg i. Br. 1967.
- Gerda Busoni, Erinnerungen an Ferruccio Busoni, hrsg. von Friedrich Schnapp, Berlin 1958.
- Ferruccio Busoni, Wesen und Einheit der Musik, hrsg. von Philipp Jarnach u. a., Berlin-Halensee 1956.
- Edward J. Dent, Ferruccio Busoni. A Biography, London 1933.
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