Kommentar |
Als die Königin am Artushof, Ginover, einen Brief Gawans erhält, erkennt sie anhand seiner Handschrift sofort die Authentizität der Botschaft, noch bevor der Bote den Namen seines Herrn genannt hat. – Um auf die besondere Bedeutung von Gawans Nachricht hinzuweisen und diese bekannt zu machen, braucht es den Auftritt des Boten mit dem Brief vor der Hoföffentlichkeit und eine eindrucksvolle (körperliche) Inszenierung der Übergabe, die von Ginover mit entsprechenden Anweisungen vorab initiiert wird. – Itonje eine Schwester Gawans, und König Gramoflanz lieben sich. Doch ohne sich vorab leibhaftig begegnet zu sein, lebt das Paar seine Minne zunächst einzig über die Kommunikation durch Geschenke und Briefe, die das abwesende Gegenüber repräsentieren: „dô wart der brief vil gekust:/ Itonjê dructe in an ir brust.“ (Parzival 714, 17f). Die genannten Beispiele stammen aus Wolframs von Eschenbach Roman Parzival und stehen exemplarisch nicht nur für die Bedeutung des Themas „Boten und Briefe“ für mittelalterliche Literatur. Sie zeigen vor allem auf, dass damit grundlegende Fragestellungen der Mediävistik wie Medialität, Körpergeschichte, Mündlichkeit/Schriftlichkeit und Öffentlichkeit verbunden sind, die wir im SE anhand ausgewählter Textbeispiele erarbeiten und in mediengeschichtlicher Perspektive vertiefen werden. Ein Reader mit ausgewählten Primär- und Forschungstexten wird zu Beginn des Semesters über Moodle bereitgestellt.
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