Kommentar |
Gegenstand des Seminars und seine Aktualität
Dieses Seminar will sich kritisch mit Carl Schmitt, einem der – längst nicht nur im deutschen Sprachraum – bekanntesten und umstrittensten Staatstheoretiker und politischen Denker, auseinandersetzen. Anhand einer Auswahl von Primärquellen werden die charakteristischen Aspekte seines Denkens erhellt. Sie bilden nicht nur werk-, sondern auch zeitübergreifend eine Grundstruktur jeder Interpretation Schmitt’scher Texte. Darüber hinaus betreffen sie die zentralen Fragen und Probleme der Gesamtheit des politischen Denkens – so soll in dem Seminar durch das vertiefte Eingehen auf den jeweiligen Autor der Zugang zu den politiktheoretischen und ideengeschichtlichen Diskursen erleichtert werden. Als solche grundlegende Fragen und Probleme sind z.B. das Verhältnis von der Politik zu dem Politischen und von dem Politischen zu dem, was wir als Kultur, Natur und ggf. Übernatürliches bezeichnen, zu erwähnen, weiterhin die Bedürfnisse, Erwartungen und tatsächlicher Umgang der Menschen untereinander, die Legitimität einer politischen Ordnung (ob instrumentalistisch, wert- oder zweckrational begründet, ob qua Verfahren, Leistungen, eine theistische oder anderweitige Transzendenzvorstellung, Traditionsgebundenheit – um bloß einige mögliche Legitimitätsquellen zu nennen), die Grenzen der privaten und der gesellschaftlichen Autonomie einerseits und der staatlichen Gewalt andererseits, die Quellen und Formen kollektiver Identität und deren Verhältnis zu der individuellen Authentizität, die Prinzipien und Institutionen sowie Normen, nach denen die Entscheidungsfindung, -überprüfung und -durchsetzung zu organisieren sind.
Aufbau
Der Kurs ist thematisch so aufgebaut, dass die grundlegenden Einstellungen, positiven und negativen Überzeugungen und Denkmuster des Autors vor den sich daraus ableitenden oder komplexeren Überlegungen vorgestellt, diskutiert und kritisch reflektiert werden. Nach der eingehenden Beschäftigung mit den Carl Schmitt kennzeichnenden Problemorientierungen, seinen politischen Wunschvorstellungen und zu rekonstruierenden Beweggründen, aus denen sich stets seine Einsichten in die Geschichte und zeitgenössische Lage speisten, folgt eine Auseinandersetzung mit seiner Interpretation von Thomas Hobbes. Die Lehre des Letzteren hatte für Schmitts eigenes Denken eine sowohl konstitutive als auch instrumentelle und vor allem stete Bedeutung und ist zur Entschlüsselung dieses Denkens selbst äußerst aufschlussreich. In diesem Zusammenhang erfolgt auch die Untersuchung und Besprechung von Schmitts Vorstellung über Politische Theologie, ohne die die Ambiguität seines Hobbes-Verständnisses, die sich vor allem im Vergleich der zu unterschiedlichen Zeiten vorgelegten Interpretationen nicht übersehen lässt, nicht zu entwirren ist. Im abschließenden Teil des Seminars wird auf die Mitwirkung Schmitts als Jurist, Rechtstheoretiker und Intellektueller an der Etablierung und Stabilisierung der nationalsozialistischen Diktatur sowie seine retrospektive apologetische Selbsteinschätzung eingegangen.
Ziel und Methodik
Das Seminar hat zum Ziel, die Teilnehmer_innen zur Bildung eigener Meinungen über eine der kontroversesten Figuren der politischen Ideengeschichte zu befähigen, wozu eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Primärtexten notwendig ist. In Anbetracht des Überflusses an der Sekundärliteratur, die von unterschiedlichster wissenschaftlicher Qualität und einer Vielfalt an den Zielsetzungen ihrer Autoren zeugt, gewinnt das In-der-Lage-Sein, eine kritische Distanz zu der polarisierten Meinungslage zu bewahren, an Bedeutung. Das eigene Verständnis und Urteil sollen durch eine textimmanente Analyse sowie die Betrachtung des zeitpolitischen und persönlichen Kontextes fundiert werden. Das Einsetzen der Diskussion als didaktischer Maßnahme dient im Anschluss zu der eigenständigen Lektüre dazu, dass sich dieses Verständnis reflexiv und diskursiv konstituiert und stets herausfordert wird. Die Einübung der Argumentationsfähigkeit wird durch zahlreiche kontroverse und kritikwürdige Aspekte der zu behandelnden Materie angeregt und durch die Fragen der Seminarleiterin unterstützt. Die Voraussetzung für die fundierten, differenzierten und anregenden Diskussionen wird durch das Verfassen von kurzen Thesenpapieren (eine Seite pro Seminareinheit) durch die Seminarteilnehmer_innen geschaffen, in denen vor allem die eigenen Fragen und Anmerkungen zum Gelesenen notiert werden sollen. Durch diese Aufgabe werden die Studierenden dazu veranlasst, die Texte vor dem Hintergrund der eigenen Einstellungen, Überzeugungen und Wahrnehmungen aktueller politischer Phänomene und Debatten zu durchdenken. Dies erweist sich bestenfalls als eine konstruktive Herausforderung sowohl für das Textverständnis und -evaluation, als auch, umgekehrt, für die eigenen Ansichten und Vorstellungen von den das gesellschaftspolitische Feld durchdringenden Problemen, deren Gründen und Lösungen.
Durch das Verfassen einer Hausarbeit werden das Vermögen selbstständigen ideengeschichtlichen Arbeitens sowie überhaupt das Interesse an einem solchen gefördert. Die erwünschte Absprache des Themas verhilft dabei zur Präzisierung des Vorhabens, zum Herausarbeiten einer Gliederung, zur Planung der Arbeitsschritte sowie zur Einsicht in die eventuellen arbeitstechnischen und inhaltsbedingten Herausforderungen und ihren Bewältigungsstrategien.
Zielgruppe und Voraussetzungen
Das Seminar kann sowohl auf Bachelor- als auch Masterstudiumsebene angeboten werden und richtet sich primär, aber nicht ausschließlich, an die Studierenden der Sozialwissenschaften.
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Literatur |
Empfehlungen Sekundärliteratur
Eine fragenübergreifende Gesamtinterpretation: Hofmann, Hasso (1992): Legitimität gegen Legalität. Der Weg der politischen Philosophie Carl Schmitts. 2., durch eine Vorbemerkung ergänzte Aufl. Berlin: Duncker & Humblot [1. Aufl. 1964]
Eine ausführliche biographische Schilderung und eine prägnante Werkdarstellung vor diesem Kontext: Mehring, Reinhardt (2009): Carl Schmitt. Aufstieg und Fall. München: Verlag C.H. Beck
Eine auf Politische Theologie zentrierte Interpretation Schmitt’schen Denkens: Meier, Heinrich (2012): Die Lehre Carl Schmitts. Vier Kapitel zur Unterscheidung Politischer Theologie und Politischer Philosophie. Mit einem Rückblick: Der Streit um die Politische Theologie. 4. Aufl. Stuttgart/Weimar: J. B. Metzler
Eine für Schmitt bedeutsame zeitgenössische Rezension von Dem Begriff des Politischen: Strauss, Leo (2008): ,,Anmerkungen zu Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen“, in: Ders.: Hobbes’ politische Wissenschaft und zugehörige Schriften – Briefe, hg. v. Heinrich Meier u. Wiebke Meier. 2. durchges. Aufl. Stuttgart/Weimar: Verlag J. B. Metzler (=Leo Strauss. Gesammelte Schriften, Bd. 3), S. 217-242 [1. Aufl. 2001]
Aufschlussreiche Überlegungen zu Schmitts theoretischer Herangehensweise: Meier, Christian (1988): ,,Zu Carl Schmitts Begriffsbildung – Das Politische und der Nomos“, in: Quaritsch, Helmut (Hg.): Complexio Oppositorum. Über Carl Schmitt. Berlin: Duncker & Humblot, S. 537-556 (=Schriftenreihe der Hochschule Speyer Bd. 102) |