Kommentar |
Die Grenzziehung zwischen Menschen und Tieren ist eine der grundlegenden Grenzziehungen der Moderne. An ihr entscheidet sich nicht nur die Frage von Natur und Kultur, sondern auch diejenige nach der Zugehörigkeit zum Gemeinwesen überhaupt. Dabei erscheint in der Spätmoderne die Bestimmung dieser Grenze immer unsicherer. Die Tiere gewinnen mehr und mehr als kulturelle Wesen Kontur und stellen für uns als Kulturwissenschaftler*innen die Frage nach dem Status unseres zentralen Begriffs überhaupt: dem der Kultur. So zeigen ethologische Studien auf der einen Seite, dass auch viele Tiere über kulturelle Fähigkeiten und Praktiken verfügen. Rituale, Werkzeuggebrauch, Verwandtschaftssysteme, soziale Praktiken und Traditionsbildungen können nicht mehr als Alleinstellungsmerkmale des Menschen gelten. Auf der anderen Seite betonen umgekehrt die Human-Animal Studies und die Kulturwissenschaften den Anteil der Tiere an der menschlichen Kultur und Geschichte, von der diese untrennbar erscheinen. Wir leben immer schon in der Gesellschaft der Tiere.
Im Seminar werden wir zum einen anhand exemplarischer und kanonischer Texte gemeinsam das Verhältnis von Menschen und Tieren unter die Lupe nehmen, uns mit unterschiedlichen Perspektiven der Human-Animal Studies vertraut machen und diese gemeinsam diskutieren. Zum anderen werden wir uns in kleinen Gruppen mit konkreten, von Tieren und Menschen geteilten Macht- und Wissensräumen – etwa dem Zoo, dem Labor, dem Kinderzimmer, der Straße, dem Schlachthof oder der Wildnis – beschäftigen und an ihnen die neu gewonnenen kulturwissenschaftlichen Perspektiven erproben. |