Kommentar |
Aktivistin, Altphilologin, Philosophin, ursprünglich säkulare Jüdin, Marxistin, Lehrerin, Schriftstellerin, Mystikerin – Simone Weil (1909-1943) war radikal, extrem, provokant und hat im Denken, Schreiben und künstlerischen Schaffen zahlreicher bekannter Persönlichkeiten (u.a. Albert Camus, Maurice Blanchot, Susan Sontag, Sheila Heti, Chris Kraus, Alejandra Pizarnik) ihre Spuren hinterlassen. Sie wird in den letzten Jahren nun auch vermehrt in Deutschland rezipiert und hat es sogar auf das Cover des Philosophie-Magazins geschafft.
Wir wollen in diesem Seminar, ausgehend von Weils Notizheften, die als Kern ihres Denkens gelten und als listenartige Diskurscollage potentielle Leser*innen durchaus herausfordern, Weils Begriff des Lesens herausarbeiten. Denn Lesen geht für Simone Weil weit über die gedruckte Seite hinaus. Es ist eine Möglichkeit, sich dem Transzendenten zu nähern, jedoch – und das ist durchaus paradoxal – gerade durch das Erreichen eines Nicht-Lesens, einer non-lecture. Zur Erreichung dieses Nicht-Lesens ist eine maximale Aufmerksamkeit/Achtsamkeit (frz. ‚attention‘) notwendig, die gleichsam eine stetige Zersetzung des Ichs (frz. ‚décréation‘) mit sich bringt und Weils Verbindung zu asketischen Praktiken, darunter auch der Zen-Buddhismus sowie verschiedene christlich-mystische Traditionen zeigt.
Das Lesen steht damit doppelt im Zentrum des Seminars: zum einen als wesentliches denkerisches Konzept in Weils Texten, und zum anderen als Praxis der literaturwissenschaftlichen Arbeit an Texten, als unsere zu reflektierende Arbeit an Weils Texten folglich. Das Seminar soll unterschiedlichste Formen des Close Reading, des Umgangs mit nicht-linearem Textmaterial sowie damit einhergehend Reflexionen des eigenen Lesens ermöglichen und Simone Weil im Kontext der Philosophie und Literatur des 20. und 21. Jahrhunderts verorten.
Es ist geplant, einzelne Podcasts und Videobeiträge, die im Laufe des Seminars entstehen sollen, auf der Website www.simoneweil-denkkollektiv.de zu publizieren.
Teilnahmevoraussetzung: Das Seminar findet auf Deutsch statt, die zu lesenden Texte werden auf Französisch und Deutsch sein. |