Kommentar |
Aktuelle Gesellschafts- und Krisendiagnosen nutzen nicht selten die Welt des industriellen Wohlfahrtsstaats, der Normalarbeit und des „Malochers“ als Kontrastfolie. Nicht durchweg schwingt dabei Nostalgie mit, aber unser Verständnis von Ungleichheit heute und deren Bewertung gründet meist auf einem Verständnis gesellschaftlichen Wandels unter der Überschrift „Deindustrialisierung“. Zu Beginn lesen wir einige Gegenwartsdiagnosen, beispielsweise Oliver Nachtweys „Abstiegsgesellschaft“, und versuchen so einen Überblick über die Soziologie der Deindustrialisierung und das spezifisch deutsche Modell von Erwerbsarbeit und Wohlfahrtsstaat zu bekommen. Soziale Mobilität, sektoraler Wandel, Flexibilisierung und Prekarisierung sind einige der Begriffe, denen wir in den Gegenwartsdiagnosen begegnen. Inwiefern stimmen Gegenwartsdiagnosen und empirische Sozialforschung zu diesen Begriffen überein? Wie kann es sein, dass unsere Wissenschaft, die Soziologie, Verunsicherung und Statusunsicherheit diagnostiziert und gleichzeitig sinkende Arbeitslosenzahlen und zunehmende Gleichstellung der Geschlechter feststellt? Ziel des Seminars ist es, verschiedene Arten soziologischer Literatur über einen Gegenstand lesen und in Beziehung setzen zu lernen. Dementsprechend ist die Bereitschaft zur regelmäßigen Lektüre langer Texte mitzubringen. |
Literatur |
Nachtwey, Oliver (2016). Die Abstiegsgesellschaft: Über das Aufbegehren in der regressiven Moderne / Oliver Nachtwey (Erste Auflage, Originalausgabe). Berlin: Suhrkamp.
Raphael, Lutz (2019). Jenseits von Kohle und Stahl: Eine Gesellschaftsgeschichte Westeuropas nach dem Boom / Lutz Raphael (Erste Auflage). Berlin: Suhrkamp. |