Kommentar |
Die Vorlesung hat das Ziel, eine Einführung in die argentinische Literatur zu geben, die sich nicht nur an vorgegebenen literaturgeschichtlichen Periodisierungen orientiert, sondern nach der konstitutiven Bedeutung von Georäumlichkeit für das fragt, was man heute ‚Nationalliteratur‘ nennt. Es sollen im Zuge der Vorlesung bedeutende ‚Chronotopoi‘ der argentinischen Literatur vorgestellt werden, d.h. georäumliche Schauplätze, die für ihr Verständnis zu bestimmten Momenten ihrer Geschichte eine besondere Rolle gespielt haben bzw. noch spielen. Den Ausgangspunkt bilden dabei literarische Gründungsfiktionen der argentinischen Nation im 19. Jahrhundert, die auf der Opposition von urbaner ‚civilización‘ und der angeblichen ‚barbárie‘ des weiten Graslands der Pampa beruhen, das trotz seiner indigenen Besiedelung und seiner Fruchtbarkeit als Wüste dargestellt wurde. Von dort aus sollen kritische Transformationen dieser wirkungsmächtigen Opposition in der Literatur des 20. und 21. Jahrhunderts untersucht werden, aber auch andere Geo-Ästhetiken, die bspw. in Anlehnung an die koloniale Etymologie des Landes am Silberfluss (Río de La Plata) Argentinien vom Wasser her imaginieren. Weiterhin geht es um Fiktionen, die die Metropole Buenos Aires samt ihres weit über 10 Millionen Einwohner umfassenden ‚conurbano‘ literarisch neu vermessen, sowie um die Bedeutung der so genannten ‚Regionalliteratur‘ der Provinzen des Landes, vom Chaco im Norden bis zu den literarischen Auseinandersetzungen mit der patagonischen Landschaft im Süden. Schließlich soll auch die Bedeutung des Exils bzw. globaler Migration von und nach Argentinien zum Anlass für die Frage genommen werden, wie sinnvoll ein territoriales Konzept von Nationalliteratur heute noch ist bzw. welche Bedeutung Georäumlichkeit für die gegenwärtige Literatur jenseits des Nationalen hat. |