Die Frage ob und inwieweit ein Krieg gerecht sein kann, scheint in einer nach ethischen Normen und Werten gefestigten (westlichen) Gesellschaft des 21. Jahrhunderts auf den ersten Blick nicht beantwortet werden zu müssen. Ihrer moralischen Verfasstheit nach scheint jede militärische Lösung eines politischen Konflikts als ungerecht/unrechtmäßig zurückzuweisen. Dabei unterliegen militärische Konflikte und solche der westlichen Zeitgeschichte einer Rechtfertigungsrhetorik, in der die politischen Entscheidungsträger ihr jeweiliges Interventionsmotiv mit dem Topos eines „gerechten Krieges“ (bellum iustum) untermauern. Die Legitimationsmuster eines gerechten Krieges finden sich bereits, wenn auch verstreut, in den Schriften des Augustinus von Hippo († 430). Die späte Verankerung seiner Ideen im Decretum Gratiani Mitte des 12. Jahrhunderts sollte die Grundlage der Tradition im internationalen Recht legen. Das bellum iustum erfährt demnach einen über zwei Jahrtausende andauernden Transformationsprozess, dessen Struktur an den politischen und sozialen Kontexten der jeweiligen Zeit ausgerichtet war. Dabei lösten die Rezipienten diese Idee immer wieder aus ihrem ursprünglichen Kontext heraus und passten sie an die politischen und theologischen Bedingungen der Zeit an.
Ausgehend von den aktuellen Debatten soll die Entwicklung der „Theorie“ des gerechten Krieges von der Spätantike bis zu ihrer Kodifizierung im Decretum Gratians skizziert werden. Ziel des Seminars ist es, auf Grundlage zeitgenössischer Quellen, die Wahrnehmung der Idee einer gerechtfertigten Ausübung von Gewalt im Früh- und Hochmittelalter nachzuvollziehen. Gerade die genuin der christlichen Religion inhärente Einstellung zum Pazifismus macht die Diskussion um Gewalt und Religion im Kontext des in der Öffentlichkeit wahrgenommenen gewaltbereiten Mittelalters umso virulenter. Lateinkenntnisse sind von Vorteil, werden aber nicht vorausgesetzt.
Erwartet werden regelmäßige Teilnahme, die Bearbeitung von Lektüreaufgaben sowie die Übernahme eines Referats. Die Anmeldung über Agnes ist obligatorisch. |