Kommentar |
Im Seminar werden wir einerseits effektiven Gender-Ungleichgewichten in der Präsenz von Dirigentinnen in musikalischer Aufführungsgeschichte und -gegenwart gegenübertreten und andererseits fragen, wo derzeit die Potenziale von Frauen liegen, die an der Spitze von Klassischen Musikensembles / Orchestern stehen. Auch wird diskutiert, wie Grundlagen geschaffen werden können, um die Unterrepräsentanz konstruktiv zu verbessern.
Zugleich werden wir anhand von Beispielen untersuchen, wo aktuell Potenziale des Orchesterdirigierens im Allgemeinen liegen, wie unterschiedliche Führungsverständnisse umgesetzt werden, was zum Kapazitätsaufbau und Durchbruch gläserner Decken verhelfen kann und wie Dirigent*innen sich von einem männlich, weiß und ‚westlich‘ konnotierten, obsolet wirkenden Dirigenten- und Führungsbild innovativ absetzen können. Nicht selten wird an stereotypen Rollenbildern gegenüber der Anerkennung von Kompetenzen festgehalten, was die musikalische Wahrnehmung verzerrt. Durch die kontrastierende und vergleichende Betrachtung der Konstruktion von Leadership werden wir uns auch Fragen wie geteilte Führung, Dialog, Reflexion, Interpretation, Vertrauen, Identität, Verantwortung, Diskurs-, Feedback- und Vorbildkultur, Innovation und Change widmen.
Dass Frauen in Dirigierfunktionen untervertreten sind, bleibt gegenüber dem Selbstverständnis von Frauen in Führungspositionen sowie einem sich zunehmend durchsetzenden interaktiven Führungs- und Kommunikationsverhalten deutlich hinter dem Puls der Zeit. Der Gender-Blickwinkel kann limitierend wirken, er kann jedoch auch auf übergeordnete (sozial-)historische und performative Perspektiven verweisen und zeigen, was Diversity und Respekt an Mehrwert zu bewirken vermögen. |
Literatur |
Abelson Macleod, Beth: Women performing music. The emergence of American women as classical instrumentalists and conductors. Jefferson, NC [u.a.]: McFarland 2001.
Bartsch, Cornelia: »›Pultvirtuose‹ und ›Lady of the bâton‹. Vergeschlechtliche Körperbilder des Dirigenten«. In: Stollberg, Arne, Weißenfeld, Jana und Besthorn, Florian Henri (Hgg.): DirigentenBilder. Musikalische Gesten – Verkörperte Musik, Basel: Schwabe 2015, S. 311–345.
Blankenburg, Elke Mascha: »Dirigentinnen gestern und heute«. In: Das Orchester, LIII/5, 2005, S. 15–19.
Blankenburg, Elke Mascha: Dirigentinnen im 20. Jahrhundert. Portraits von Marin Alsop bis Simone Young. Hamburg: Europäische Verlagsanstalt 2003.
Bowen, José Antonio (Hg.): The Cambridge Companion of Conducting. Cambridge: Cambridge University Press 2003.
Die Dirigentin: Geschlechterkampf im Orchestergraben, Österreichische Musikzeitschrift, LXX/3, 2015.
Drynda, Yvonne: »Es geht um Musik, nicht um Macht. Zur Situation von Frauen am Dirigierpult«. In: Neue Zeitschrift für Musik, CLXIII/1, 2002, S. 30–33.
Edwards, J. Michele: »Women on the podium«. In: The Cambridge Companion of Conducting, Bowen, José Antonio (Hg.), Cambridge: Cambridge University Press 2003, S. 220–236.
Schüler, Johanna: »Dirigentin«. In: Kreutziger-Herr, Annette und Unseld, Melanie (Hgg.), Lexikon Musik und Gender, Kassel: Bärenreiter 2010, S. 375–376.
Seebohm, Andrea: »Dirigentinnen im Vormarsch«. In: Österreichische Musikzeitschrift, LXIII/11–12, 2008: ›Frau und Musik‹ in Österreich, S. 18–25.
Steinbeck, Anke: Jenseits vom Mythos Maestro. Dirigentinnen für das 21. Jahrhundert. Köln: Dohr 2010.
Steinbeck, Anke: »Warum es Dirigentinnen in Deutschland noch immer schwer haben«. In: Archiv für Musikwissenschaft, LXIX/1, 2012, S. 79–86.
|