Kommentar |
Gegenstand dieses Seminars ist eines der berühmtesten Werke Galens, dessen Volltitel „Quod animi mores corporis temperamenta sequantur“ lautet. In diesem Werk befasst sich Galen, der Arzt aus Pergamon, der im 2. Jahrhundert n. Chr. die von den Hippokratikern stammende techne iatrike zu einer systematischen Wissenschaft machte, mit Fragen, die das Wesen der Seele, die Tätigkeiten und Lokalisierung ihrer Teile und letztendlich das Verhältnis zwischen Seele und Körper betreffen. In diesem Zusammenhang erörtern Galens medizinische Untersuchungen und Betrachtungen Fragen, die auch von enormer theoretischer Relevanz sind und die eine ganz zentrale Stellung nicht nur in der medizinischen Tradition, sondern auch und vor allem in den philosophischen Systemen von Platon und Aristoteles, und später in der Lehre der philosophischen Schulen der hellenistischen Zeit haben. Galen selbst widmet mehrere Schriften dem Versuch, Eigenschaften und Funktionen der Seele aus unterschiedlicher (anatomischer, psychophysiologischer, embryologischer) Sicht zu bestimmen. Das Quod animi mores stellt im Vergleich zu anderen psychologischen und psychophysiologischen Werken Galens einen ganz besonderen Fall dar, denn Galen vertritt in dieser Schrift einen dezidiert materialistischen Ansatz zum Verhältnis Seele/Körper, indem er für ein Entsprechungsverhältnis zwischen der Verfassung des Geistes und der des Körpers argumentiert und sogar ein Abhängigkeitsverhältnis der ersten von der zweiten einzuräumen scheint. In dem Seminar werden wir uns die Frage stellen, wie sich dieser materialistische Ansatz zum „Mind/Body Problem“ im Rahmen einer gesamten Seelenkonzeption Galens und einer breiteren philosophischen und medizinischen Debatte über die Natur und die Eigenschaften der Seele verstehen und rechtfertigen lässt.
Literatur: Galien, Que les facultés de l'âme suivent les tempéraments du corps. Introd., texte critique, trad. et commentaires parAthéna Bazou; sous la dir. de Jacques Jouanna. Paris 1999; P.N. Singer, Galen: Psychological Writings (Cambridge Galen Translations). Cambridge 2014; R.J. Hankinson, The Cambridge Companion to Galen. Cambridge 2008.
Eine vollständige Literaturliste wird am Anfang des Seminars zur Verfügung gestellt. |