Kommentar |
Das Wirken des Paulus und seine Briefe gehören zu den wichtigsten Grundlagen der christlichen Theologie. Sie sind deshalb zugleich ein zentraler Gegenstand des Studiums des Neuen Testaments und der christlichen Theologie insgesamt. Diese Bedeutung zeigt sich durch die gesamte Christentumsgeschichte hindurch. In je eigener Weise wurde Paulus verstanden als Lehrer der Kirche, als Theologe der Rechtfertigung aus Glauben und als Verkünder des Evangeliums an die Heiden. Auch in der Gegenwart spielt die Beschäftigung mit Paulus eine zentrale Rolle in christlicher Theologie und Kirche, aber auch darüber hinaus (etwa in der zeitgenössischen Philosophie).
Die Vorlesung geht der Biographie des Paulus nach und zeichnet seine Briefe in diese ein. Dabei werden sowohl zentrale Texte aus den Briefen des Paulus behandelt als auch der gegenwärtige Forschungsstand reflektiert. So ist z.B. zu fragen, wie man sich die Reisen des Paulus vorzustellen hat. Wie ist Paulus gereist, wo hat er gewohnt, wie waren die sozialen und religiösen Umstände der Orte, in die er kam? In theologischer Hinsicht ist zu fragen: Was hat Paulus unter den „Werken des Gesetzes“ verstanden und warum wird dies in der Paulusforschung kontrovers beurteilt? Wie verhält sich die Rechtfertigung aus Glauben zur Ethik des Lebens im Geist? Nicht zuletzt wird die in der gegenwärtigen Forschung intensiv diskutierte Frage der Stellung des Paulus im Judentum zu behandeln sein. Verstand sich Paulus auch nach seiner Hinwendung zum Christusglauben als Jude – oder hat der Christusglaube seine Sicht auf den Gott Israels so verändert, dass damit die Trennung von Juden und Christen bereits angelegt war? Welche Rolle hat die griechisch-römische Philosophie für das Denken des Paulus gespielt? War Paulus ein „politischer Theologe“ – hat er also eine „anti-imperiale“ Sicht gegenüber dem Römischen Reich vertreten? Diese und weitere Fragen werden in der Paulusforschung intensiv diskutiert. Sie sind deshalb für eine reflektierte Beschäftigung mit Paulus zu bedenken.
Die Vorlesung richtet sich an Studierende im Grund- und Hauptstudium. Sie ist dazu gedacht, einen zentralen Bereich der Literatur und Theologie des Neuen Testaments zu erarbeiten. |
Literatur |
Grundlegendes: Paulus Handbuch (hg. von Friedrich Wilhelm Horn), Tübingen 2013; Oda Wischmeyer (hg.), Paulus. Leben – Umwelt – Werk – Briefe, Tübingen und Basel 2006 (2. Auflage 2012). Gesamtdarstellungen: James D.G. Dunn, The Theology of Paul the Apostle, Grand Rapids/Cambridge 1998; Udo Schnelle, Paulus. Leben und Denken, Berlin/Boston 2002 (2. Auflage 2014); Michael Wolter, Paulus. Ein Grundriss seiner Theologie, Neukirchen-Vluyn, 2011 (2. Auflage 2015). Weiterführendes: Troels Engberg-Pedersen, Cosmology and the Self in the Apostle Paul. The Material Spirit, Oxford 2010; Mark D. Nanos/Magnus Zetterholm (ed.), Paul Within Judaism. Restoring the First-Century Context of the Apostle, Minneapolis 2015; Michael F. Bird, An Anomalous Jew. Paul among Jews, Greeks, and Romans, Grand Rapids 2016; Gabriele Boccaccini/Carlos A. Segovia (ed.), Paul the Jew. Rereading the Apostle as a Figure of Second Temple Judaism, Minneapolis 2016; Kathy Ehrensperger, Searching Paul. Conversations with the Jewish Apostle to the Nations. Collected Essays, Tübingen 2019. |