Kommentar |
Als der Dichter Maurice Scève 1533 in Avignon das vermeintliche Grab Lauras – der von Francesco Petrarca in seinem Canzoniere (1374) besungenen und fiktiven Dame – wiederentdeckt haben zu glaubt, markiert er damit den Beginn eines kulturellen Aneignungsprozesses: Petrarca und die sich an seinem Werk orientierenden Petrarkisten sollten daraufhin nämlich bald nach Frankreich und ins Französische übersetzt werden. Doch dauerte es noch bis 1549, ehe Joachim Du Bellay mit L’Olive den ersten französischsprachigen Chansonnier veröffentlichen und spätestens mit der Pléiade eine Blüte petrarkistischer Dichtung in Frankreich einsetzten sollte. Das Seminar widmet sich dem Phänomen des Petrarkismus und seiner unterschiedlichen Realisierungsformen und dient als Einführung in die Dichtung der französischen Renaissance. In einem ersten Teil des Seminars werden wir einzelne Gedichte aus Petrarcas Canzoniere gemeinsam lesen und die Entstehung des Petrarkismus in Italien nachvollziehen. Dabei werden wir uns mit verschiedenen Definitionen des Petrarkismus kritisch auseinandersetzen. Anschließend werden wir ausgewählte Gedichte aus französischen Chansonniers, insbesondere aus Louise Labés Sonnets (1555) und Joachim Du Bellays L‘Olive (1549), entlang thematischer Schwerpunkte analysieren, um zu verstehen, wie der Petrarkismus auf unterschiedliche Weise zitiert, angepasst, überwunden oder abgelehnt wird. Gegen Semesterende sollen die Studierenden in Kurzreferaten selbst Sonette vorstellen und interpretieren. Voraussetzung zur Teilnahme sind gute Französischkenntnisse. Die Anschaffung folgender Ausgaben wird empfohlen: Labé, Louise: Œuvres complètes. Hg. von François Rigolot. Paris 2004 (GF Flammarion). Petrarca, Francesco: Canzoniere. 50 Gedichte mit Kommentar. Italienisch/Deutsch. Übers. und hg. von Peter Brockmeier. Stuttgart 2006. Weitere zu lesende Texte werden zu Beginn des Seminars zur Verfügung gestellt. |