In den Kulturwissenschaften gibt es heute viele Einzelstudien zur Geschichte der Kybernetik, die sich im erzählerischen Modus ihren Diskursen, Ideen und Protagonisten annähern. Symptomatisch scheint mir dabei, dass unser Wissen in die Breite wächst, während ein kohärenter Begriff der Kybernetik immer noch fehlt. Ein bloßes Aufzählen von Namen, Fakten und Eigenschaften kann niemals die Frage beantworten, was Kybernetik eigentlich "ist" - was ihren operativen Kern als Technik und als Denkform ausmacht.
Im Rahmen dieses Seminars möchte ich darum versuchen, einen Begriff der Kybernetik zu entwickeln. Das bedeutet konkret, Positionen der Technikphilosophie und der Wissensgeschichte (insbesondere Heidegger, Bachelard und Rheinberger) mit dem kybernetischen Denken engzuführen. Es gilt, eine neue Seinsweise des Technischen und eine bestimmte Form der Phänomenotechnik verstehbar zu machen, bevor wir die Kybernetik als epochale Figur der Wissensgeschichte denken können.
Teilnehmer des Seminars können entsprechend ihrer persönlichen Forschungsinteressen entweder einen theoretischen oder einen historisch-epistemologischen Schwerpunkt der Thematik anvisieren. Gemeinsame Ziele:
1) Die Entwicklung eines Begriffs der Kybernetik auf Basis einer am Material geerdeten philosophischen Reflexion. Wir wollen die Dynamik von Entwerfen und Erkennen begreifen, die Kybernetik mit dem Design heutiger digitaler Kulturen verbindet.
2) Analysen kybernetischer Formen der Wissenserzeugung im Rahmen technologischer Objektkulturen. Von Shannons "kybernetischen Monstern" bis hin zu algorithmischen Texten und Computergraphik geht es hier um die Frage, was es bedeutet, wenn Ingenieursbaukunst und Programmieren im Zeitalter der rekursiven Maschine zu einer Phänomenotechnik eigenen Rechts gemacht werden. |