Kommentar |
Richard Wagners Meistersinger von Nürnberg, uraufgeführt 1868 in München, gehören unzweifelhaft zu den wichtigsten, aber auch zu den umstrittensten Werken für das Musiktheater des 19. Jahrhunderts. Als Nationaloper konzipiert und eng an die Frage „Was ist deutsch?“ geknüpft (um den Titel einer 1865 verfassten, aber erst 1878 veröffentlichten Programmschrift Wagners zu zitieren), sind die Meistersinger gerade durch dieses „Deutsche“ heute mit einem Rezeptionsproblem belastet, das sich in neueren Inszenierungen vielfach reflektiert findet. Hinzu kommen die Debatte um die Figur des Beckmesser sowie die herausgehobene Rolle der Meistersinger im Nationalsozialismus: Hat Wagner hier eine Judenkarikatur auf die Bühne gebracht? Ist die „Festwiese“ des dritten Aufzugs wirklich eine performative Blaupause der Nürnberger Reichsparteitage? Oder liegt in der Oper vielmehr die positive Utopie eines „ästhetischen Staates“ beschlossen? Diesen schwierigen Erörterungen will das Seminar ebenso Raum geben wie der nicht minder wichtigen Komponente künstlerischer Selbstreflexion: Mit den Meistersingern hat Wagner ein Werk geschaffen, das gewissermaßen über sich selbst, über die Funktionsmechanismen von Kunst innerhalb der Gesellschaft nachdenkt, aber auch, gleichsam allegorisch, die Gestaltungprinzipien dessen vorführt, was Wagner als „Kunstwerk der Zukunft“ vorschwebte.
Das Seminar wird theoretische Texte Wagners, die mit den Meistersingern zusammenhängen, in gemeinsamer Lektüre zum Thema machen, den Fokus aber vor allem auf die Partitur selbst richten – und damit auf Fragen der Exegese und Analyse, die auch dazu dienen sollen, verschiedene Methoden der Musikwissenschaft an ihnen exemplarisch zu verhandeln.
Die genaue Kenntnis der Meistersinger (Text und Musik) wird zu Beginn des Seminars vorausgesetzt. Als Arbeitsgrundlagen dienen:
- Richard Wagner, Die Meistersinger von Nürnberg. Studienpartitur, hrsg. von Egon Voss, London u. a.: Eulenburg 2000 (Edition Eulenburg 8033)
- Richard Wagner, Die Meistersinger von Nürnberg. Klavierauszug, hrsg. nach dem Text der Richard-Wagner-Gesamtausgabe von Egon Voss, Mainz: Schott 2012 (ED 20410)
- Richard Wagner, Die Meistersinger von Nürnberg. Textbuch der Fassung der Uraufführung mit Varianten der Partitur, hrsg. von Egon Voss, Stuttgart: Reclam 2002 (Reclams Universal-Bibliothek 5639)
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Literatur |
Literatur zur Einführung, Materialsammlungen (Auswahl, nur Monographien):
- Richard Wagner. Die Meistersinger von Nürnberg. Texte, Materialien, Kommentare, hrsg. von Attila Csampai und Dietmar Holland, Reinbek bei Hamburg 1981
- Richard Wagner. Die Meistersinger von Nürnberg, hrsg. von Michael von Soden, Frankfurt am Main 1983
- Paul Buck, Richard Wagners „Meistersinger“. Eine Führung durch das Werk, Frankfurt am Main u. a. 1990
- John Warrack, Richard Wagner: Die Meistersinger von Nürnberg, Cambridge 1994
- Jörg Linnenbrügger, Richard Wagners „Die Meistersinger von Nürnberg“. Studien und Materialien zur Entstehungsgeschichte des ersten Aufzugs (1861–1866), 2 Bde., Göttingen 2001
- Wagner’s „Meistersinger“. Performance, History, Representation, hrsg. von Nicholas Vazsonyi, Rochester/NY 2004
- Dokumente und Texte zu „Die Meistersinger von Nürnberg“, hrsg. von Egon Voss, Mainz 2013 (Richard Wagner, Sämtliche Werke, Bd. 28)
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