Kommentar |
Ausgangspunkt des Seminars soll die Beobachtung sein, dass um 1900 eine alle gesellschaftlichen, kulturellen und ästhetischen Diskurse übergreifende Sternenbegeisterung einsetzt, die in ihrer heterogenen Gesamterscheinung bisher in der Forschung kaum in den Blick geraten ist. Doch kurz vor der Jahrhundertwende verdichten sich die Zeichen: in der Malerei, in der Architektur, im Film und in der Photographie, in der Literatur, in der Musik und auf der Bühne, in wissenschaftlichen Diskussionen, aber auch im (erneuten) Aufkommen der Astrologie, Esoterik und der ersten deutschen SF-Literatur – überall lässt sich ein Bezug zum gestirnten Himmel ausmachen, und das in einer Zeit, in der die Lichter der Großstädte zum ersten Mal so hell sind, dass von einem Verlust des Sternenhimmels gesprochen wird. Diese unterschiedlichen, doch zur gleichen Zeit auftretenden astralen Bezüge sollen im Rahmen des Seminars untersucht und diskutiert werden: Welche (Struktur-, Welt-, Orientierungs-)Modelle bietet der Sternenhimmel für eine als fragmentierte Welt erfahrende Moderne für die Künste und Menschen um 1900? Warum wird gerade die Jahrhundertwende zu einer Austragungszeit für eine ‚moderne‘ Sternenbegeisterung, die sich sowohl in den historischen Kulturwissenschaften, aber auch in der Esoterik niederschlagen? Welche Fragestellungen, ästhetischen Dimensionen, epistemologischen oder gar kosmologischen Versprechen lassen sich noch mit und über den Sternenhimmel verhandeln?
Im Seminar werden theoretische Texte (Hans Blumenberg, Walter Benjamin) gelesen, die dann zu zeitgenössischen literarischen Texten (Rilke, Brecht, Scheerbart), Filmen (Der Golem wie er in die Welt kam) und Photographien in Beziehung gesetzt werden. |