"Ihre Dropbox ist fast voll": Der wachsende Berg an Papier und digitalen Daten stellt jeden irgendwann vor die Frage, was denn nun in den Papierkorb kann und was anderweitig verstaut werden soll – aber wo und auf welche Dauer?
Dieses Seminar widmet sich der wertvollsten Altpapiersammlung der Geschichte – der Kairoer Geniza. Ihr Inhalt sollte verborgen bleiben und rituell vernichtet werden, doch die Geniza überlebte bis in unsere Tage und enthüllte ein einzigartiges Abbild der mediterranen Welt.
Ende des 19. Jh. wurden über 250,000 schriftliche Fragmente in einem Hohlraum der ägyptischen Ben-Esra-Synagoge entdeckt. Ursprünglich waren solche Räume der Aufbewahrung aus dem Gebrauch genommener sakraler Schriften zugedacht. Allerdings wurde die Genizapraxis im mittelalterlichen Fusţāţ (Alt-Kairo) weit interpretiert, sodass ab ca. 1040 jahrhundertelang Schriftstücke aus allen Bereichen des Lebens in einem kleinen Raum deponiert wurden – Rechnungen, Urkunden, Briefwechsel von Gelehrten und Kaufleuten. Zu den berühmtesten Funden gehören die 700 Jahre lang verschollen geglaubte hebräische Handschrift des Buches Jesus Sirach (Ecclesiasticus) und Briefe des Maimonides. Faszinierend ist auch der Einblick in die Alltagsgeschichte: Magische Formeln und von Kindern angefertigte Schreibübungen fanden genauso Platz in der Geniza wie Berichte über den Indienhandel.
Wie beleuchten die Fragmente die vernetzte Geschichte des Mittelmeerraums? Wie wird das Zusammenleben von Muslimen, Juden und Christen fassbar? Was unterscheidet die Geniza von einem Archiv? Vor dem Hintergrund gemeinsam entwickelter Fragen wenden wir uns den Quellen und ihrer Erforschung zu. |