Kommentar |
Als seine Erzählungen im Jahr 1613 erschienen, unterstellte Cervantes selbst ihnen ‚Exemplarität‘ – und formulierte so den Anspruch, mit ihnen eine irgendwie gültige Form des Erzählens zu instituieren. Wir wollen diesen Anspruch ernst nehmen und im Seminar einige der Erzählungen lesen um zu verstehen, worin er gründet. Vor dem Hintergrund der Frage nach ihrer Beispielhaftigkeit – die ja ein wertemäßiges Substrat immer schon voraussetzt, das sie dann zur Anschauung zu bringen behauptet (und genau das zu leisten bescheinigt man Cervantes’ Erzählungen etwa mit dem Hinweis auf die gelungene Verschränkung von ‚idealistischer‘ und ‚realistischer‘ Rede) – wollen wir die Erzählungen historisch verorten, um den spezifischen (moralischen, ästhetischen, ökonomischen) Wertehaushalt, in den sie sich einschreiben und den sie eben gültig zu veranschaulichen behaupten, besser bestimmen zu können. Darüber hinaus wollen wir nach ihrer Bedeutung jenseits dieses historischen Moments fragen, denn der Anspruch auf Exemplarität von (literarischen) Texten impliziert ja immer auch die Behauptung überzeitlicher Gültigkeit und also wenn man so will die Behauptung von ‚Klassizität‘, mit der sich nicht zuletzt ihre Aufnahme in einen Kanon legitimieren lässt, der für die Konstruktion von Nationalphilologien (mit der sich eine politische Gemeinschaft ihrerseits historisch rückvergewissert über den Wertehaushalt, dem sie sich verpflichtet wissen möchte) unerlässlich ist.
Arbeiten wollen wir mit der eine Auswahl der Erzählungen enthaltenden Studienausgabe von Cátedra (Miguel de Cervantes, Novelas ejemplares, ed. de Teresa Mateu, Madrid 2018: Cátedra base) – die notwendig zur Anschaffung empfohlen wird.
Sprechstunde immer im Anschluss an die Sitzung. |