Kommentar |
Ciceros De oratore, verfasst 55 v.Chr., ist ein intellektuelles Wunderwerk: Wie Platon Philosophen konzipierte, die über Formen und Fragen der Philosophie sprechen, so lässt Cicero Crassus und Antonius, zwei bedeutende Redner seiner eigenen Lehrergeneration, als Protagonisten des 91 v.Chr. situierten Dialoges auftreten, die in Reden, Darlegungen und Gesprächen mit weiteren Personen den idealen Redner, seine Ausbildung, seine Funktionen, das Verhältnis von Theorie und Praxis und zahlreiche Einzelfragen eben nicht theoretisch, sondern in actu darstellen. Systematik und inszenierte Spontaneität ergeben in raffiniertem Widerspiel ein höchst lehrreiches Kunstwerk, in dem sich die einzelnen Positionen jeweils dialektisch beleuchten. Philosophie, Psychologie, Politik, Jurisprudenz, kulturelle Kompetenz und Sprachkunst ergeben zusammen etwas, das wir heute wohl Kommunikationstheorie nennen würden, die Antike aber unter rhetoriké oder ars oratoria zusammenfasste. Nach einer knappen Einführung in Ciceros Werk und die Rhetorik soll in der Lehrveranstaltung die Gesamtkomposition von Ciceros Schrift anhand von ausgewählten Textpassagen rekonstruiert werden. Programm und weitere Informationen ab Ende März über Moodle; Passwort auf Anfrage.
Text und Übersetzung: M. Tullius Cicero, De oratore, hg. v. K. F. KUMANIECKI, (Stuttgart/Leipzig), Berlin u.a. 1995 (leider 79,99 Euro). – M. Tullius Cicero, Rhetorica I (De oratore), ed. T.S. WILKINS, Oxford 1902 (online über www.archive.org). – Cicero, De oratore – Über den Redner, hg. u. üs. v. T. NÜSSLEIN, (Düsseldorf) Berlin u.a. 2011 (online in HU-Primus). Einführung: J. WISSE: De oratore. Rhetoric. Philosophy and the making of the ideal Orator, in: Brill’s Companion to Cicero, hg. v. J. M. MAY, Leiden u.a. 2002, S. 375–400 (online in HU-Primus). – J. KNAPE, Was ist Rhetorik? Stuttgart 2000. |