Kommentar |
Auf Grundlage des aktiven Erlernens einer "außereuropäischen" Musikpraxis - der Maqam-Tradition, wie sie sich in der arabischsprachigen Welt zeigt - wollen wir Phänomene kulturellen Lernens untersuchen: Wie und weshalb verstehen oder missverstehen wir fremde Musik? Wie verhält es sich dabei mit musikalischen Universalien und kulturellen Besonderheiten? Sind wir in der Lage unsere musikalische Sozialisierung zu erweitern? Ausgehend vom Konzept der Bi-Musikalität (Hood, 1960) und den methodischen Ansätzen der second wave ethnomusicology (Baily, 1988 & 2001) soll damit einer Entwicklung innerhalb musikethnologischen Forschens nachgespürt werden, in der die direkte Auseinandersetzung mit dem Fremden (Solis, 2004; Aubert, 2007) und die daraus resultierenden Implikationen für die Begriffe „Kultur“ und „Musik“ in den Blickpunkt geraten. Zentrale Bestandteile des Tutoriums sind daher regelmässige Workshop-Einheiten, zu denen auch Musiker und Musikwissenschaftler aus Ägypten und Syrien zu Gast sein werden. Dabei wollen wir uns ein Verständnis der Grundlagen der arabischen Maqam-Tradition - die modale Ordnung des Ton- und Melodiesystems (al-maqamat) und die rhythmischen Zyklen (al-iqaa'at) - in Theorie und Praxis erarbeiten, sowie regionale Unterschiede und historische Entwicklungen kennenlernen. Der Erwerb musikalischpraktischer Fähigkeiten und die Anwendung von Konzepten und Kategorien einer fremden Musiktradition sollen dabei ebenso wie eventuelle Verstehensprobleme und die Auseinandersetzung mit emischen Lehr- und Darstellungsformen als Grundlage einer kritischen Reflexion musikethnologischer und kulturpsychologischer Theorien dienen. Ziel des Tutoriums ist es, den Entwurf eigener Fragestellungen, Modellierungen und Methoden zu ermöglichen: je nach Interessenlage können beispielsweise Positionen der Transkulturalitätsforschung, Methoden der musikbezogenen Kognitionspsychologie, Ansätze zur interkulturellen Musikvermittlung oder der Entwurf einer partizipatorischen Musikethnologie diskutiert werden und in Form von kleinen Forschungsprojekten (z.B. Interviewreihen, teilnehmende Beobachtungen, Videoanalysen, etc.) entsprechende Beiträge geschaffen werden. Die gesammelten Eindrücke und Ergebnisse dieser explorativen Studie wollen wir zum Ende des Wintersemesters abschliessend präsentieren. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt. Daher die Bitte um frühzeitige Voranmeldung per Email (musicandculture.edu@gmail.com). |
Literatur |
Aubert, Laurent (2007). The Music of the Other – New Challenges for Ethnomusicology in a Global Age, Burlington. Baily, John (2001). Learning to Perform as a Research Technique in Ethnomusicology, in: British Journal of Ethnomusicology, 10(2), S.85-98. Baily, John (1988). Anthropological and Psychological Approaches to the Study of Music Theory and Musical Cognition, in: Yearbook for Traditional Music, 20, S.114-124. Hood, Mantle (1960). The Challenge of Bi-Musicality, in: Ethnomusicology, 4(2), S.55-59. Shore, Bradd (1996). Culture in Mind – Cognition, Culture, and the Problem of Meaning, Oxford. Shweder, Richard A. (1991). Thinking Through Cultures – Expeditions in Cultural Psychology,Cambridge. Sloboda, John & Deliege, Irene (1997). Perception and Cognition of Music, New York. Solis, Ted (2004). Performing Ethnomusicology, London/Los Angeles. |