Kommentar |
Nicht erst Hannibal Lecter, der Inbegriff des gepflegten und sympathischen Serienmörders, verführt seit 1991 die Kinogänger dazu, das Böse als verführerisch und unscheinbar wahrzunehmen. Das Fernsehen hat seit einigen Jahren diese Prämisse entdeckt und zeigt in zahlreichen Serien, wie Serientäter einerseits beängstigend aber andererseits auch attraktiv und in ihrer Amoralität geradezu anziehend erscheinen.
Die US-amerikanische Populärkultur thematisiert den Serienmörder nicht erst seit Beginn der 1990er Jahre als eine Art „Kultobjekt“ und liefert ihm die Basis, um als „Natural Born Celebrity“ sein Unwesen in den Köpfen der Kulturkonsumenten zu treiben. Dabei ist dieser Trend nicht neu. Er entwickelte sich bereits durch Kunst und Literatur, die sich schon früh mit der Ikonographie des Bösen auseinandersetzten. Schaut man sich nunmehr die aktuellen Tendenzen der US-amerikanischen Fernsehlandschaft an, so wird der Serienkiller immer zentraler im Bewusstsein der Rezipienten und bietet vielfältige Anknüpfungspunkte. Er strahlt eine positive, ja gar bemerkenswerte Attraktivität für seine Fans vor dem Bildschirm aus. Durch mehr als sieben neue TV-Formate alleine im Fernsehjahr 2012/2013 ist ein deutlicher Trend zu Serienkiller-Formaten im US-Fernsehen zu erkennen.
Das Q-Tutorium möchte anhand der Serien Twin Peaks (1990-91, ABC), Millennium (1996-99, Fox), Dexter (seit 2008, Showtime), The Following (seit 2012, Fox), Hannibal (seit 2013, NBC), Bates Motel (seit 2013, A&E), Criminal Minds (seit 2005, CBS), The Bridge (seit 2013, FX), Crossing Lines (seit 2013, NBC), The Mentalist (seit 2008, CBS), Harper’s Island (2009, CBS), Cult (2013, The CW), Ripper Street (seit 2012, BBC one), The Fall (seit 2013, BBC two) und Those who kill (2011, TV2) aus den Perspektiven der Medien-, Kultur-, Sozial- und Geschichtswissenschaft sowie der Psychologie, wissenschaftliche Fragestellungen entwickeln, die dem Phänomen des Serienmörders in der aktuellen Fernsehlandschaft auf den Grund gehen sollen. In einem ersten Teil befassen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit der Funktionsweise des Motivs des Serienmörders in der US-amerikanischen Gesellschaft, um Kult und Enthumanisierung der Täter als ein gesellschaftskritisches Gesamtbild zu begreifen. Über einen Blick in die audiovisuellen Massenmedien, die zwischen Comic und Film, aber auch im Internet dieses Thema verarbeiten, wird der Begriff der Populärkultur zwischen Widerstand und Lust am Spektakulären in Frage gestellt. Daraufhin entwickelt der zweite Teil der Veranstaltung anhand des aufgebauten Theoriegerüsts Fragestellungen, die dem Erkenntnisinteresse der Teilnehmerinnen und Teilnehmer entsprechen sollen. Die genannten Serien dienen dabei als konkrete Fallbeispiele, die zwischen Moralverschiebung und Verhaltenskodex, zwischen Abscheu und Kult, aber auch aufgrund der Serialität des Tötens den aktuellen Fernsehmarkt aus den USA bestimmen. Die Amoralität der Protagonisten soll sich in diesen Fällen nicht nur in der dramaturgischen Umsetzung widerspiegeln, sondern auch in ihrer psychologisch-kritischen Rezeption. Kontakt: Dominik Eichhorn (dominik.eichhorn[at]hu-berlin.de)
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