Kommentar |
Geld ist das zentrale Medium unserer Gesellschaften. Wer als einzelne/r kein Geld hat, gerät in Not; wenn kein Geld im Umlauf ist, bricht das gesamte Wirtschaftsleben zusammen. Die Strukturen der Weltwirtschaft sind nach einer bestimmten „Logik des Geldes“ konstruiert. Diese wird – idealtypisch gesehen – von den Subjekten kultiviert („Banker“), provoziert („Bettler“) oder kreativ gewendet („Lebenskünstler“). Die Debatten über die Gier von (Geld-)Managern zeigen, dass kulturelle Faktoren den Umgang mit Geld selbst dort beeinflussen, wo nach wirtschaftswissenschaftlicher Annahme Geld ein neutrales Mittel des Tausches ist und dessen profitable Mehrung als „rational“ gilt. Folgt man sozialwissenschaftlichen Deutungen, so ist Geld ein Symbol und Kulturträger. Dies führt zu der Frage, ob die behauptete Neutralität des Geldes selbst ein soziales Konstrukt ist. Es ist zu prüfen, ob der Gedanke der Neutralität dem Geld eine Mehrdeutigkeit verleiht, die es erlaubt, kulturelle Implikationen unsichtbar zu machen. Daran anknüpfend steht zur Diskussion, ob die vielfach beobachtete Monetarisierung der Gesellschaft auch zwingend eine Ausweitung der „Geldvermehrungslogik“ zur Folge hat. Droht dadurch eine Uniformisierung von Kulturmustern? Oder ist von einer größeren Vielfalt an Interpretationen und Werten bezüglich des Geldes auszugehen? Auf welche Weise wirken kulturelle Codes der Tabuisierung von persönlichen Finanzverhältnissen? Befördert das „motivierte Übersehen“ von Armut die soziale Ungleichheit, und ist die diskrete Ausblendung von Reichtum einer der Gründe für das Abheben der Finanzmärkte? In dem Seminar soll ein „fremder Blick“ auf Facetten von Geldkulturen moderner, „westlicher“ Gesellschaften entwickelt werden. Dabei gilt die Aufmerksamkeit sowohl grundlegenden ökonomischen Zusammenhängen als auch kulturell geformten Einstellungen und sozialen Praxen im Umgang mit Geld. Bei einem Treffen mit Bankern, einem Besuch der „Berliner Tafel“ und im Gespräch mit Geldexperimentalisten werden unterschiedliche Geldkulturen praktisch erforscht. |
Literatur |
Bourdieu, Pierre: Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. In: Soziale Ungleichheit, hrsg. von Reinhard Kreckel, Göttingen 1983, S. 183–198 Goldinger, Heiner, Rituale und Symbole an der Börse. Eine Ethnographie, Münster 2002 Klute, Georg, Läßt sich Geld zähmen? Ethnologische Perspektiven auf die Monetarisierung, in: Zeitschrift für Ethnologie 128 (2003), S. 99-117 Simmel, Georg, Philosophie des Geldes, Frankfurt 1989 (1900) Wrede, Brigitta (Hrsg.), Geld und Geschlecht. Tabus, Paradoxien, Ideologien, Opladen 2003 Zelitzer, Viviane A., Die Farben des Geldes. Vielfalt der Märkte, Vielfalt der Kulturen, in: Berliner Journal, 10 (2003) Zola, Émile, Das Geld, Berlin 2009 (1891) |