Kommentar |
„Dasz recht und poesie aus einem bette aufgestanden waren, hält nicht schwer zu glauben“ – so lautet die These, die Jacob Grimm in seinem Aufsatz „Von der Poesie im Recht“ aus dem Jahr 1816 entwickelt. Das SE wird dem Verwandtschaftsverhältnis von Recht und Poesie in historischer und systematischer Perspektive nachgehen: Worin liegt die Poetizität des Rechts begründet, welchen Gesetzmäßigkeiten folgt die Poesie? Ein Fokus gilt der Diskussion von Jacob Grimms frühen rechts- und poesiegeschichtlichen Abhandlungen, aber auch seinen programmatischen Beiträgen zum Frankfurter Germanistentag im Jahr 1846. Der „Germanist“ wird dort als Gelehrter dreier Klassen vorgestellt, welcher sich der Poesie, der Geschichte und dem Recht gleichermaßen widmen soll. Er wird mit der Verwaltung eines kulturgeschichtlichen Archivs beauftragt, in das jene Quellen eingehen sollen, die einem kollektiven Schöpfungsakt des „Volksgeists“ zugeschrieben werden. Philologie und Jurisprudenz arbeiten somit am gleichen Projekt, einer – nationalen – Gedächtnisbildung, der sich auch die zeitgenössische Literatur verschreibt. Einen zentralen Bezugspunkt bilden hier Konstellationen der Marburger Romantik, die sich um Clemens Brentano, Bettina von Arnim (geb. Brentano) und Achim von Arnim gruppieren. In ihrem Zirkel greifen Poesie, rechtliche Volkskunde und Philologie unmittelbar ineinander. Die Liedersammlung „Des Knaben Wunderhorn“, die diesen engen Konnex bezeugt, löst zugleich jedoch eine grundlegende Kontroverse aus, die das Verhältnis von Kunstpoesie und Volkspoesie betrifft: In ihrem Zeichen werden Poeten und Philologen, Dichter und Juristen schließlich auseinander treten. „Um 1800“ bezeichnet demgemäß nicht nur eine ursprüngliche Einheit, sondern auch den Beginn einer Trennungsgeschichte. |
Literatur |
Zur vorbereitenden Lektüre: J. Grimm: Von der Poesie im Recht. In: Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft 2 (1816) 1. S. 25-99; K. Renner: Wie poetisch ist das Recht? Jacob Grimm zwischen Etymologie und Topik. In: Jahrbuch des Forum Vormärz Forschung 15 (2009). S. 163-178; T. Weitin: Recht und Literatur (Reihe Literaturwissenschaft, Theorie und Beispiele, Bd. 10). Münster 2010. |